Irgendwie scheine ich mich wohl nicht verständlich genug auszudrücken. Also nochmal: Man kann die Medizin der Vorzeit nur verstehen, wenn man sie mit den "Augen" der entsprechenden Zeit betrachtet. Und das hat nichts mit Universitäts-, Schul- oder Volksmedizin zu tun, denn das ist eine moderne Interpretation. Und genau hier liegt der taktische Fehler, den ich immer wieder auch in anderen Beiträgen finde. Man kann historische Ansichten nicht einfach 1:1 in undsere Zeit übertragen, und "Hurra, ich hab den Stein der Weisen gefunden" rufen. Und mir schwillt jedesmal der Kamm, wenn "esoterisch angehauchte" ihren Lebensstil und ihr Gesundheitsbewußtsein mit ihrem gefährlichen Halbwissen z.B. einer Hildegard-Medizin als allein seeligmachend propagieren, und die "Schul"-Medizin als Teufelskram verdammen.Mir persönlich ist es egal ob sich jemand mit dieser Art von Selbstherapie umbringt, oder mit "Edelsteinauflegen" seinen Tumor züchtet bis er inoperabel ist. Aber wenn ich den Eindruck gewinne, daß im Sinne einer historischen "Darstellung" mit der entsprechenden Lebensweise auch "Heilmethoden" dieser Zeit unkritisch übernommen werden, bzw. sie sogar als absolut kultig dargestellt werden, dann ist für mich der "Rubikon überschritten" ! Es zeugt auch von Unwissen die Medizin des MA in "Universitätsmedizin" und "Volksmedizin" einzuteilen, denn alles was heute gerne als alte "Volksmedizin" angesehen wird, ist Bestandteil der "Universitätsmedizin" der entsprechenden Zeit gewesen. Wenn man sich in der Medizingeschichte auskennt, dann weiß man, das im Laufe der Jahrhunderte medizinische Rezepte und Methoden jeglicher Art von Ärzten gesammelt wurden und Eingang in die Lehrbücher fanden. In vielen dieser Bücher findet man z.B. auch handschriftliche Anmerkungen zur Wirksamkeit oder Unwirksamkeit dieser Methoden. Erst mit der Aufklärung und der Entwicklung der Wissenschaften sind viele Dinge aus den Lehrbüchern als unwirksam oder gar schädlich herausgenommen worden. Und wenn ich schreibe, daß man sich erst mit der Medizin der Antike beschäftigen muß, dann ist das völlig ernst gemeint. Denn wer sich mal die Mühe macht und dort nachliest, der wird viele Elemente wiederfinden, die heute in der Alternativmedizin absolut "hip" sind. Man wird z.B. finden, daß Cato der Ältere und Plinius Anhänger der bäuerlichen "Hausmedizin" (medicina domestica) waren, und Ärztliche Behandlung ablehnten. Was sich aber übrigens nie offiziell durchsetzte. Oder der Heilschlaf im Tempel des Asklepius als wirksames Mittel bei psychosomatischen Erkrankungen. Aber nach wie vor : Man muß historische Dinge immer aus der Sichtweise der Zeit betrachten. Und das beinhaltet einfach nur das Lesen der Originalquellen, weil nur dann kann man sich wirklich in die entsprechende Zeit hineinversetzen. Nur das bewahrt einen vor fatalen Spekulationen und Fehlinterpretationen.