Jeder Schritt heraus aus andere-benachteiligenden Verhaltensweisen war bis jetzt einer heraus aus der Gewohnheit und Gedankenlosigkeit. In diesem Sinne kann man nur begrüßen, dass es da draußen noch Menschen gibt, die über Gewohnheiten und Gedankenlosigkeiten nachdenken und nicht alles einfach so hinnehmen, wie "es schon immer war".
Genau diese Leute sind oft das Problem, das sie eigentlich lösen wollen. Denn bei der exzessiven Hatz auf political incorrectnes wird allzu oft das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Das Gegenteil von gut sei nicht böse, sondern gut gemeint, hat Kurt Tucholsky mal sehr treffend konstatiert. Wenn Leute meinen, neue soziale Strömungen einbringen zu müssen, dann geht der Schuss oft nach hinten los. Abgesehen davon, dass ich ein Mindestmaß an Konsequenz vermisse. So ist es inzwischen zur Mode geworden, nicht mehr "Kinderschänder" zu sagen, sondern "Pädophiler". Und nein, das ist eben nicht dasselbe. Dass damit eine komplette Minderheit kriminalisiert und gebrandmarkt wird, die per se niemandem was getan hat, interessiert erschreckenderweise am allerwenigsten genau die selbsternannten Weltverbesserer und Menschenfreunde, die sich andererseits stundenlang über den Sarotti-Mohr ereifern können. Da werden, wie ich weiter oben ja schon mal erwähnt habe, eifrig Dinge geächtet, von denen sich die Mehrzahl der Betroffenen überhaupt nicht beleidigt fühlt und stattdessen neue eingebracht, die unter'm Strich die Sache eigentlich nur noch schlimmer machen. Und, wie am eben genannten Beispiel zu erkennen, schreckt unsere moralische "Elite" auch nicht vor Volksverhetzung zurück, wenn es gerade in ihr verqueres Weltbild passt. Es gibt genügend weltanschauliche Abgründe in diesem Lande, die weit dramatischer sind als der Negerkuss. Aber diese werden eher gepflegt denn kritisch hinterfragt, geschweige denn bekämpft.
Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit auf (Theodor Fontane) Ist denn noch niemandem aufgefallen, dass gerade die militanten Gutmenschen, die hinter solchen Kampagnen stehen, weitaus fanatischer, dogmatischer und extremistischer aufzutreten pflegen als diejenigen, die sie mit ihren Aktionen zum besonnenen Nachdenken zwingen wollen? Dass unsere Urgroßväter die Welt am deutschen Wesen genesen lassen wollten, betrachten wir heute mit einer Mischung aus kopfschüttelnder Befremdung und pflichtbewusster Abscheu. Und gleichzeitig legen ebenjene, die diese Abscheu und dieses Unverständnis am lautesten heucheln und sich der geläuterten Weisheit rühmen, wieder selbstherrlich fest, was in der Welt gut und böse sei und schreiben allen vor, nach ihrer moralischer Pfeife zu tanzen.
Das sind in meinen Augen die Ewiggestrigen! Die öffentliche Meinung, Wilfired, entsteht nicht irgendwie, sie wird gemacht. Das sagte einst Henry Kissinger. Und gemacht wird sie zum Teil von der Politik, die eine bestimmte öffentliche Meinung braucht, um ihre momentanen Ziele leichter durchsetzen zu können (ich erinnere daran, dass Forschung und Lehre in diesem Land
nicht unabhängig sind, was es leicht macht, verquaste Ansichten mit zweifelhaften wissenschaftlichen Studien oder Forschungsständen zu untermauern - dass die Slawen und die Juden minderwertige Untermenschen sind, war ja schließlich auch mal wissenschaftlich belegt), zum anderen Teil von laut und schrill auftretenden Minderheiten, deren eben dieses Auftreten den falschen Eindruck erweckt, es seien nicht wenige Laute, sondern viele Leise, die diese Meinung hätten. Der normale, eigentlich eher tolerante und ruhige Mensch, von dem ich annehme, dass er die Mehrheit in dieser Gesellschaft darstellt, wird zwischen diesen Extempositionen zerrieben. Er darf nicht neutral sein, streng nach dem Motto "wer nicht für mich ist, ist gegen mich". Da stehen auf der einen Seite die Leute, die behaupten, sexueller Missbrauch sei gut für die Kinder und auf der anderen Seite diejenigen, die behaupten, jeder, der sich gerne FKK-Bilder ansieht, ziehe morgen ein Kind hinter den Busch. Das ist beides Blödsinn, aber laut sagen darf man das nur im ersteren Fall, weil die Anhänger der zweiten Irrlehre es geschafft haben, derzeit Politik, Gesetzgebung und öffentliche Meinung hinreichend zu indoktrinieren. Was ich den Leuten, die sich ständig so was einfallen lassen, auch vorwerfe, ist der Umstand, dass sie Probleme erst herbeireden. Da wird ein Begriff, der von niemandem böswillig verwendet wurde und von dem sich niemand je ernsthaft und mit nachvollziehbarem Grund beleidigt fühlte, so lange schlechtgeredet, bis sie letztlich wirklich das haben, was der Schwabe als "G'schmäckle" bezeichnet. Nicht nur mit reinen Begriffen, nebenbei erwähnt; so beispielsweise auch mit der "Hauptschule" geschehen. Und selbst
wenn der Zusammenhang da wäre. Dann ist die Umbenennung/Abschaffung keine Lösung. Bleiben wir beim Beispiel Hauptschule. Wenn wir die abschaffen, so die etwas schräge Logik, dann gäbe es keine schlechten, dummen, assigen, wie auch immer gearteten Schüler, die sich ja angeblich auf der Hauptschule tummeln und von ihr produziert werden. Das ist zwar hahnebüchener Unsinn und zweitens höchst beleidigend allen ehemaligen Hautpschülern gegenüber, aber es wurde ja, wenngleich etwas diplomatischer formuliert, als Argument angenommen. Wenn das also nun tatsächlich stimmen würde und das Problem durch die Abschaffung oder - viel billiger - bloße Umbenennung dieser Schulart ("Mittelschule") gelöst werden könnte, dann schlage ich nach derselben Logik vor, auch alle Krankenhäuser abzuschaffen oder zumindest umzubenennen, denn dann gibt es keine Kranken mehr. Und die Gefängnisse schaffen wir auch ab, denn dann gibt es keine Straftäter mehr. Nein, mit
Begrifflichkeiten zu hantieren, um gesellschaftliche Probleme zu lösen, das ist schlicht bescheuert, oder, politisch korrekt ausgedrückt:
Nicht zielführend.