Mich erinnert die ganze Sache ein wenig an einen Sozialpädagogen, der andere in bester Wolfssprache anpflaumt, sie sollen doch gefälligst Giraffensprache verwenden. Ich habe Respekt vor selbstkritischen Menschen, die versuchen, die Probleme der Welt zu lösen, indem sie ihr eigenes Verhalten ändern. Ich habe hingegen wenig Respekt vor Menschen, die meinen, sie müssten die Probleme der Welt lösen, indem sie ständig an anderen herumkritteln und anderen ihre eigene Moral aufzwingen. Zumal die ganze Sache zwar auf den ersten Blick ganz dolle gut und richtig klingt, sich bei näherer Betrachtung aber eben kolossal widersprüchlich, konflikterzeugend und aktionistisch entpuppt. 1. Mich beleidigt etwa der latente Vorwurf - allgemein bezüglich der ganzen Political Correctnes-Debatte, nicht bezogen auf einen konkreten Fall hier im Thread - ich sei rassistisch, nur weil ich mich weigere, irgendeine Moralistenaktion mitzumachen. Warum muss ich mich beleidigen lassen, damit andere Menschen sich nicht beleidigt fühlen? Und da wir uns ja nun schon einig sind, dass selbst ein Einziger, der sich diskriminiert, beleidigt oder sonstwie unwohl fühlt, ausreicht, dass alle anderen ihr Verhalten überdenken müssen, fordere ich das für mich auch ein. Oder bin ich mit meinen Gefühlen aus irgendeinem seltsamen Grund weniger wert als ein afrikanisches Kind? 2. Warum nehmen wir Rücksicht auf die politisch korrekte Auseinandersetzung mit Homosexualität, aber nicht mit Pädophilie? Warum ist ein von Neonazis verprügelter südländisch aussehender Deutscher, der gar kein Ausländer war, ein Opfer dumpfer Gewalttäter, ein von Antifaschisten verprügelter deutscher Kahlkopf, der gar kein Neonazi war, aber ein kleines Missverständnis wehrhafter Demokraten? Warum müssen wir energisch mit aller Härte des Gesetzes gegen politisch unopportune Meinungen vorgehen, brechen aber gleichzeitig sämtliche Grundrechte, verbindliche rechtstsaatliche Prinzipien und juristische Sorgfalt sobald es bei einer Straftat irgendwie um das Thema "Sex" zu gehen scheint? Warum sind von Rechten angezündete Mülltonnen schlimmer als von Linken angezündete Autos? Ersetzen wir nicht ein gesellschaftliches Opfer schlicht durch ein anderes, je nachdem, was gerade Mode ist? Ersetzen wir nicht einen Extremismus nur durch einen anderen? Das ist ohnehin etwas, das die Deutschen noch nie draufhatten: Der goldene Mittelweg, besonnene Vernunft, leben und leben lassen. Stattddessen immer nur vom einen ins andere Extrem. Ich hatte eigentlich gehofft, dass der Rest der Europäer da lockerer ist und diese deutschen Allüren etwas bremst, aber scheinbar ist es genau andersrum. Sind die ganzen Verfechter der political correctness wirklich objektiv und sachlich kritisch oder doch nur Propagandisten im Dienst einer aktuellen gesellschaftlichen Tageslaune? 3. Sind wir wirklich konsequent in der Umsetzung unserer sprachlichen Anpassungen im täglichen Leben? Denn das ist ja das angebliche Ziel der Sache. Verhaltensauffällige Kinder sind neuerdings "verhaltensoriginell". Wenn ich nun in der U-Bahn jemandem dei Fresse poliere, kann ich dann dem Richter sagen: "Na, das war doch originell, oder? Ich weiß nicht, was Sie haben." Oder ist diese begriffliche Überrücksicht doch nur dem Umstand geschuldet, dass bei bloßer Erwähnung des Wortes "Kind" derzeit in diesem Lande das halbe Hirn des Deutschen die Arbeit vorübergehend einstellt? Zumindest der Teil des Hirns, in dem der gesunde Menschenverstand sitzt. Ich ereifere mich deshalb so, weil ich nicht etwa nur eine gewisse Sinnlosigkeit hinter der ganzen Sache zu sehen vermeine, sondern handfeste Gefahren. Wir leiten Schlimmes in die Wege und berauschen uns dabei an der Autosuggestion, wir wären ganz supertoll gut und edel! Sind wir nicht. Wir spulen lediglich ein anderes Programm ab und sprechen neue Mantras nach, um ja nicht wirklich nachdenken und uns wirklich mit unangenehmen Themen auseinandersetzen zu müssen. Neue Sprache, neue Moral, neue Regeln und Gesetze, neue Opfer. Das hatten wir schon mal. Dem liefen auch alle hinterher, weil ihnen gesagt wurde, das sei gut, notwendig und politisch korrekt.