Kleines Alltagsmesser nach Einzelfund aus Haithabu Anspruch: fundnah / belegorientiert Bislang war ich immer davon ausgegangen, dass die Messerscheiden in Haithabu ausnahmslos nur aus Leder bestanden, und es dort keinerlei Beschläge wie z.B. in Birka oder Gotland gab. Weder "Spurensuche Haithabu", "Lederfunde Haithabu", noch "Eisenfunde Haithabu" haben so etwas verzeichnet. Deswegen war klar - das gab's nicht. Manchmal stolpert man in der Literatur jedoch über spannende Einzelfunde, die man so gar nicht vermutet hätte. Besonders, wenn es Literatur zu einem eigentlich völlig anderen Thema ist. In "Die Textilfunde aus den Gräbern und der Siedlung von Haithabu", Inga Hägg, 1991 wird auf Seite 164, Abb. 77-3 sowie auf der Folgeseite Abb. 78-2 Foto und Skizze von einem "Messer mit Lederscheide mit drei kreuzförmigen Bronzebeschlägen" gezeigt, welches aus Grab 1066 (219/1965) stammt. Auf dem Foto sind die Beschläge stark korrodiert und keine Details erkennbar. Deswegen hatte ich mich bei der Rekonstruktion an Häggs Skizze orientiert. Die Scheide selbst besteht bei mir aus Kalbsleder, ist nass geformt, und mit gewachstem Leinengarn im Sattlerstich vernäht. Als Aufhängung dient ein Streifen aus dünnem Ziegenleder, einfach durch einen Schlitz am oberen Abschnitt der Scheide geführt, so dass das Messer vom Gürtel schräg herab hängt. Die Beschläge habe ich aus 1 mm dickem Messingblech gesägt und gefeilt, das eingeritzte Muster ist freie Interpretation meinerseits. Das Messer ist in Form und Größe den typischen Funden der Alltagsmesser von Haithabu nachempfunden. Der Griff besteht aus Buche (hatte ich gerade da), leicht dunkel gebeizt, an der Seite eine Schnitzerei aus Haithabu (siehe 'die Holzfunde aus Haithabu'). Das Lochaugenmuster an sich (hinten am Griff) ist nicht nur für Haithabu dutzendfach belegt, weswegen ich es zusätzlich zur Schnitzerei mit eingearbeitet habe. Querschnitt ist typisch längsoval und nach vorne hin konisch zulaufend. In den 'Eisenfunden aus Haithabu' werden vorne am Griff neben Drahtwicklungen u.a. Bänder aus Messing erwähnt. Da keine näheren Angaben bei dem Messer genannt werden, habe ich es mit Messingblech umgesetzt. Eine Abschlussscheibe aus Metall ist ebenfalls ein gängiges Element, Öse für ein Zugband auch. Weil ich faul war, habe ich diese Scheibe nicht aus Eisen gefeilt, sondern aus Zinn direkt auf den Griff gegossen. Die Klinge besteht aus Damaszenerstahl und entspricht in Größe und Form weitestgehend den gängigen Funden. T. Capelle nennt in den 'Eisenfunden' mehrere Beispiele für kleine Klingen mit ähnlichem Material. So schreibt er beispielsweise: "[...] Messer Nr. 1560 [...] hat ein damasziertes Blatt. Deutlich erkennbar sind sechs unterschiedliche Schichten [...]". Die ausgeprägte Alltagspatina von Messer und Scheide sind einem Unfall geschuldet. Das Leder hat das Fett nur sehr ungleichmäßig angenommen. Nach mehrmaligem Fetten war es dann zwar gleichmäßiger, aber sehr dunkel und trotz Trocknen von der Optik her etwas speckig. Also gut - da ein Alltagsmesser auch ruhig etwas benutzt aussehen darf, habe ich die Beschläge ebenfalls etwas dem Zahn der Zeit unterzogen, und die vorstehenden Kanten der Scheide leicht abgeschliffen, um dort den typischen Abrieb des täglichen Tragens nachzuahmen. Beim Messer selbst habe ich den Messingstreifen altern lassen, und den Griff hinten und besonders am vorderen Teil mit Bienenwachs nachgedunkelt, desgleichen die Vertiefungen an Schnitzerei und Lochaugen. Länge insgesamt: 19 cm Länge des Griffs: 12 cm Klingenlänge: 7 cm Hinsichtlich der Beschläge weiß ich mittlerweile, dass die Skizze von Hägg völlig falsch ist. Eine Nachfrage beim Haithabu-Museum bezüglich detaillierter Bilder zu der Messerscheide wurde sehr umfassend beantwortet. Auf den Bildern sind auch die Beschläge nach Entfernung der Korrosion zu sehen, nebst passender Zeichnungen. Diese zeigen eine von Häggs Interpretation gänzlich abweichende Form und Muster. Als ergänzender Hinweis wird noch eine Silberdrahtumwicklung am vorderen Griff ausgeführt. Leider erreichten mich diese Informationen erst, nachdem das Messer fertig war. Messer und Scheide werde ich in einem späteren Projekt noch einmal neu (anhand der aktuellen und korrigierten Vorlagen und Informationen) fertigen.