Ich finde den Ansatz spannend, ich hab da selbst schon öfter drüber nachgedacht. Nicht primär für die Holzbearbeitung, sondern fürs Schmieden... Ich fände es wirklich total spannend, mal alles ohne modernes Werkzeug zu machen. Aber dann müsste ich erst einmal ein paar Wochen damit verbringen, mir "historische" Hilfsmittel herzustellen. Und wenn ich jetzt schon gelegentlich 120 Stunden an einem Messer arbeite, will ich nicht wissen, was dann dabei rauskommt... ... Gruß Jannis
Oft ist es eine Sache der Information und des Anspruchs. Viele MA-Fans erkennen nicht den Unterschied zwischen einem sog. 'Mittelalterdolch' für € 15.-- (natürlich mit Scheide!) und einem nach Beleg geschmiedeten Messer aus Werkzeugstahl und ausgesuchtem Griffmaterial. Die handgenähte Scheide aus vegetabil gegerbtem Leder kostet zwangsläufig allein bereits ein Mehrfaches des Billigmessers! Der Spruch: 'Ich mache das nur aus Hobby, daher kann ich das so billig machen' ist natürlich eine Selbsttäuschung. Früher oder später kommt auch der engagierteste Hobby-MA-Handwerker dahinter, dass er richtig arbeiten muss, wenn er an seinem Stand etwas anbieten möchte. Dann muss er seine Preise auch auf ein realistisches Niveau bringen. Zum Glück für die 'Billich-billich-Konsumenten' gibt es (neben den Fabriken aus Osteuropa) immer neue Handwerksanfänger, die dann in die Lücke springen und ihre als Bastelarbeiten leicht erkennbaren Werkstücke wieder viel zu billig verkaufen. 'You get what you pay for', wie wir Franzosen sagen..... Die Herstellung unter streng mittelalterlichen Arbeitsbedingungen halte ich nicht für so schwierig für einen Profi, und eigentlich ist alles andere in diesem Bereich auch nur ein Kompromiss. Wenn ich mich z.B. Messerschmied nennen will, dann sollte ich in der Lage sein, ein Messer nach Vorgabe von Form und Dimensionen bis ganz nahe an die Endform zu schmieden. Da bleiben an der Schneide weniger als 1 mm Material stehen, und dann ist das historisch korrekte Anlegen eine Fase an einem gewässerten Bankstein nur noch eine Sache von etwas Muskelschmalz und ein paar Minuten. Das können die Hobby-Schmiede häufig nicht und müssen zwangsläufig die Maschinen bemühen. Ob dieses Verfahren jetzt
immer so angewendet werden muss, ist eine andere Sache - ich unterscheide da durchaus zwischen laufender Produktion und der Demonstration. Entscheidend ist aber für mich das Können, das in einem Werkstück steckt, und das erschöpft sich nicht in einem gefälligen Aussehen, sondern schließt die Qualität und damit die Funktionalität ebenso ein wie die historische Formtreue. Mir bedeutet ein Messer, das sich 'mittelalterlich' nennt, nicht viel, wenn es diese Eigenschaften nicht hat. 'Theaterwaffen' für Dornröschen interessieren mich nicht, ebenso wenig Messer, die als 'mittelalterlich' in diesem Markt angeboten werden, aber jeden historischen Bezug vermissen lassen. Natürlich verstehe ich das Bemühen, sich einen Markt zu schaffen bzw. Kunden zu finden, aber es ist aus meiner Sicht einfach daneben, ein noch so fantasievolles Messer als mittelalterlich zu bezeichnen. 'Ich bin da nicht so streng' oder 'ich seh das locker' sind keine sachlichen Argumente dafür. Der mittelalterliche Handwerker ist meist, wie wir aus unzähligen erhaltenen Beispielen sehen können, ein hochkarätiger Arbeiter, wenn nicht gar Künstler! Wenn man keine Maschinen zur Hand hat, die man notfalls einsetzen könnte, dann muss man einfach gut sein, sein Handwerk von Grund auf verstehen, und ohne Zeitvorgabe mit der Intention arbeiten, am Ende ein taugliches oder gar hochwertiges Produkt an den Kunden zu übergeben. Wir übersehen häufig, dass ein einfaches Messer für viele Menschen im MA schon ein wertvoller Besitz war - eine einzige Sichel war vielleicht schon das gesamte Werkzeug, um den Lebensunterhalt zu verdienen! Das Leben und die handwerkliche Produktion waren in einer Balance, die wir heute kaum noch (er-)kennen. Damit komme ich auf den Ausgangspunkt meines Beitrags zurück: wer als MA-Handwerker den Anspruch hat, historisch korrekt und mit gutem Material zu arbeiten, der soll diese Eigenschaften seiner Werkstücke eben deutlich machen. Der informierte, anspruchsvolle Kunde wird die Qualität erkennen und seine Freude daran haben. Unser heutiges Marketing ist darauf ausgerichtet, ein bestenfalls mittelmäßiges Produkt als besonders begehrenswert darzustellen - das Mittelalter hatte da nur den tatsächlichen Bedarf auf der einen und das gute Ansehen des Handwerkers und seine 'greifbaren' Produkte auf der anderen Seite. Das ist eine Gleichgewichtslage, die mir gut gefällt. Wer sich nur als 'MA-Tourist' sieht, ist vielleicht anfänglich schon mit einem € 15-Messer glücklich - selig sind die Unwissenden, wenn man einen bösen Kommentar darüber ablassen will. Freundliche Grüße Jean