Naja, ein Gutteil der allerersten Märkte war ja von mutigen und leichtsinnigen Hobbyisten gemacht worden. Von Spinnern für Spinner könnte man sagen. Deshalb hatten die, zumindest in meiner Erinnerung, so ein ganz gewisses Etwas. Das waren Leute, die ziemlich genau wussten, was dem MA-verrückten Besucher gefiel, eben weil sie selber Ma-Verrückte waren. Und obendrein ergab dieser Umstand - dass man aus dem gleichen abgedrehten Spektrum kam - auf eine gewisse Weise eine Art heimeliges Flair. Man fühlte sich irgendwie daheim. Allerdings waren das auch ein wenig andere Zeiten. Zwar gab es auch damals schon eine kleine Klasse an Leuten, die erstes alles und zweitens besser wussten, zwar gab es auch damals schon Darsteller, die das große A sehr ernst nahmen. Aber irgendwie war alles noch näher beieinander, es war harmonischer, toleranter. Da waren Grufties, Larpies, Kostümcamper, fellgewandete Barbaren mit oberschenkellangen Trinkhörnern, mit rostigen rüstungsähnlichen Metallteilen behängte Söldner, der ein oder andere Römer, Kelten und Soldaten aus dem dreißigjährigen Krieg in trauter Vielsamkeit beieinander. Und kaum einer fand was dabei. Es saßen Elfen, Schnuckelgrufts und 800 Jahre Mittelalter zusammen auf dem Wildschweinfell vor dem Ritterzelt, einer spielte Harfe, die anderen ließen den Met kreisen, man sang - oder versuchte das zumindest - zusammen irgendwelche scheinbar mittelalterlichen Lieder, verspeiste Stockbrot oder sonst irgendwas vom Lagerfeuer und war total tiefentspannt. War einfach schön, die Zeit, aber irgendwann begann dieses Hickhack, jeder gegen jeden. Dieses Genörgel an allem. Jedes Jahr ein neues Modethema. Die Borten. Die Farben. Die Zelte. Typisch deutsch. Alle hatten zwar nur ausgesprochen seichte Ahnung, aber um dazuzugehören musste man nörgeln. Man musste gegen irgendetwas sein. Man hatte zwar null Plan von Borten, aber es war gerade gesellschaftliche Pflicht, an den Dingern rumzumäkeln. Und man konnte zwar selber keine authentischen frühmittelalterlichen Alternativen bieten, aber dieses Zelt passte ja gar nicht, so viel war schon mal klar. Dieses deutsche, neureiche, pseudointellektuelle "das-geht-gar-nicht"-Gehabe halt. Diese Entspanntheit, dieses easy Miteinander, das fehlt mir. Hey, Leute, es ist ein Markt, kein Museum. Und man muss sich nicht ständig selber erhöhen, indem man andere tiefer legt. Wer echt gut ist, der sei es bitte still. Und lasse andere sein, wie sie sein wollen. Ist es denn wikrlich so schwer, einfach miteinander auszukommen? Im Fernsehen machen Leute Werbung als "Toleristen" und auf dem Markt werden Steckstühle verbrannt und Orks diskriminiert. Hallo? Irgendwo zwischen bescheuert und verlogen, diese ganze Gesellschaft, ich weiß nur nicht genau, wo dazwischen. (Ganz nebenbei bemerkt: wenn Hella von Sinnen sich im Fernsehen als Tolerist zu Toleranz gegenüber Homosexuellen bekennt, dann hat das in ihrem Falle ja wohl mit Toleranz so überhaupt nichts zu tun...) Aber wie dem auch sei. Jedenfalls gingen diese ganzen alten Veranstalter irgendwann pleite. Es waren halt Ma-Verrückte, Hobbyisten, keine Wirtschaftler. Und die Behörden, die am Anfang durch dieses neue Phänomen noch irgendwie irritiert und ratlos waren, wie man damit umgehen sollte, erholten sich von ihrer Überraschung und begannen, Regeln aufzustellen. Regeln, die die Veranstaltungen noch schwieriger und unrentabler machten, besonders für Laien. Gleichzeitig erkannten gewiefte kommerzielle Experten, dass man mit dieser neuen Bewegung Geld machen konnte. Und so verdrängten sukzessive Letztere die Ersteren. Mit dem Ergebnis, dass wir jetzt eben genau die MA-Markt-Kultur haben, die wir haben. Ich fasse zusammen: - Die Veranstalter haben sich verändert - Die Hobbyisten haben sich verändert - Die Vorschriften haben sich verändert - Die "Industrie" dahinter hat sich verändert Und alle vier nicht unbedingt zum Besseren. Selber einen veranstalten - das sagt sich so einfach. Zu 70% möglich heißt, zumindest in diesem, unserem durchreglementierten Lande halt schlicht: unmöglich. Selbst wenn das Ding zu 95% stünde, über den restlichen 5% steht halt leider allzu oft "Genehmigung verweigert". Oder diese letzten 5% machen das Ganze halt nicht mehr vernünftig finanzierbar. Außer natürlich, man ist selber derjenige, der für die Genehmigung zuständig ist. Oder zieht das ganze als Profi mit dem entsprechenden organisatorischen und rechtlichen Background halt kommerziell auf. Was dabei rauskommt, kennt man ja inzwischen zur Genüge. Vielen gefällt's, vielen nicht. Auffallend, dass die erstgenannten vielen immer weniger aus der MA-Szene zu kommen scheinen und mehr aus der Eltern-mit-Kindern-Ecke. Göre beim Knderschminken abgeben, währenddessen selber entspannt ein Bierchen zischen. Gewandete Besucher? Immer weniger. Aktiv interessierte Besucher? Ebenfalls. Mehr wie im Zoo: Mit 'ner Bratwurstsemmel in der Hand die seltsamen Wesen begaffen. Hab' mir schon mal überlegt, ob ich um unser Lager einen Bauzaun aufstelle und ein Schild dranhänge: "Tiere nicht berühren, da bissig!" (Gaaanz kurz kam mir mal das Schild "Vorsicht, Tiere spritzen Harn" in den Sinn) Und als Event kommt dann zweimal am Tag die Fütterung vorbei. Und die Besucher können Erdnüsse kaufen und uns dann zuwerfen. Wer wär' dabei?