Dies ist ein freies Land. Wenn jemand keinen Wert darauf legt, eine Freizeitbeschäftigung zu haben ohne dabei historisch korrekt zu sein, dann ist das sein gutes Recht. Und es steht niemandem zu, hier zu missionieren, nur weil er selbst auf eben diese Korrektheit in seinem Hobby Wert legt. Wenn jemand glücklich ist, im Flokati gewandet Met zu saufen und sich dabei als Ritter zu fühlen, dann lasst ihn doch. Der darf das. Sowohl juristisch als auch moralisch. Ebenso ist es in diesem Lande völlig legal, anderen Leuten historischen Schwachsinn zu erzählen, solange man nicht gerade den Holocaust leugnet. Wo Bio draufsteht ist nicht unbedingt Bio drin, wo günstig draufsteht ist nicht unbedingt günstig drin und wo demokratisch draufsteht ist nicht unbedingt demokratisch drin. Warum sollte das gerade beim Begriff Mittelalter anders sein? Ich habe in diesem Land zu allen möglichen Themen schon so viel Mist gehört, dass mich der Mist, der über Geschichte erzählt wird, nicht mehr wirklich berührt. Das Recht auf Bildungsferne ist ein Grundrecht. Wie sieht's denn im Fernsehen aus? Da überbieten sich doch auch die meisten Sender mit seichter Sinnfreiheit, um den Zuschauer nur ja nicht geistig zu überfordern. Und eine namhafte Boulevardzeitung - ich möchte keine Namen nennen, aber Ihr seid ja im Bilde - macht inzwischen sogar noch offen Werbung damit, dass man sie gerne für bescheuert halten darf. Und ausgerechnet wenn nun für den typische Konsumenten von Big Brother und Yellow Press auch seichte Jahrmärkte unter dem Motto Mittelalter veranstaltet werden, soll ich anfangen, mich aufzuregen? Das ist doch nur konsequent. Im Gegenteil: Wer da hin geht, wohl wissend, was ihn erwartet, um dann nachher um so genüsslicher darüber jammern zu können, der muss sich fragen lassen, ob er sich nicht in Wahrheit wegen der heimlichen Lust am Grusel das antut. Was erwarten wir denn? Dass Hunderttausende deutscher Bürger sich ernsthaft und beflissen mit dem zu beschäftigen haben, was uns kleines Grüppchen mit dem seltsamen Hobby so interessiert? Muss den jeder Zoobesucher vorher ein Grundstudium in Biologie abgelegt haben, bevor er legitimerweise mit seinen Gören in den Streichelzoo darf? Und muss umgekehrt jeder Zoo seine Besucher über die Paarungsgewohneiten der Katzenpandas weiterbilden? Wem die Pillepalle-Kommerz-Middelalda-Märkte zu pillepalle-kommerziell-middelaldalich sind, der soll halt nicht hingehen. Die Dinger sind seit zig Jahren auf dem Markt. Da kann mir keiner ernsthaft erzählen, er hätte ja nicht ahnen können, dass dort keine seriöse Geschichtsvermittlung betreiben wird. Wenn's weh tut - wegbleiben! Ich leg meine Hand auch nur einmal auf die heiße Herdplatte, dann hab ich meine Lektion gelernt. Das mehrmals zu machen, ist schon eine Sache. Aber sich dann lauthals zu beklagen, es sei ein Skandal, dass Herdplatten heiß sind, das kann ich nicht mehr nachvollziehen, sorry. Händler wollen Kohle machen? Das überrascht mich jetzt nicht wirklich. Und professionelle Veranstalter wollen Plus machen? Hab ich irgendwie auch schon immer geahnt. Wenn ich schon um eine ehrliche Meinung gebeten werde, worauf ich keine Lust mehr habe, dann möchte ich auch eine geben: Ich habe keine Lust mehr auf die ständige Aufeinanderrumhackerei zwischen den einen und den anderen Extremisten des Hobbys. Mir hat, das war recht früh in meinem Hobby, mal jemand aus dem Teil der Szene, die man gewöhnlich die "A-Fraktion" nennt, gesagt, ich mache ein anderes Hobby als er. Ja, genau, mach ich, ist Recht! Aber, in Herrgotts Namen, dann lasse er mich dieses Hobby bitte auch in Frieden machen und beschwöre mich nicht ständig, ich solle mein anderes Hobby genauso machen wie er das seine. Ich habe keine Lust mehr auf den ungefragten Missionierungsdrang von - ob echten oder vermeintlichen - Authentikern. Und ich habe umgekehrt auch keine Lust mehr auf ständige unprovozierte, aber um so vorwurfsvollere Jammerattacken gegen den Teil der Szene, der sich um mehr historische Korrektheit bemüht. Am allerwenigsten Lust habe ich mehr auf die ständigen byzantinischen Grabenkriege und Intrigen innerhalb der Authentikszene selbst, wo es dann gar nicht mehr um nachvollziehbare Details geht, sondern um Weltanschauungsfragen und gekränkte Eitelkeiten. Worauf ich im Gegenzug mal so richtig Lust hätte, das wäre ein gemütliches Miteinander, wo der Authentiker den GroMi akzeptiert und der GroMi den Authentiker. Dann reden beide vernünftig über Themen, für die sie sich beide interessieren und am Ende gehen sie miteinander einen saufen. Der Athentiker freut sich, dass der Gromi ihm gromig, aber von Herzen zuprostet und der Gromi freut sich, dass er Authentiker im auf althochdeutsch, aber von Herzen zurückprostet. Zu viel verlangt?